ÖPNV-Offensive, Masterplan zur Luftreinhaltung, eigene Luftschadstoffmessungen: Aus unserer Sicht fährt die Stadt München erneut eine Verzögerungstaktik in Sachen Luftreinhaltung. Damit betreibt sie einen Verrat am letztjährigen Versprechen gegenüber uns Bürger*innen. Keine der anvisierten Maßnahmen ist geeignet, die Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid schnellstmöglich zu beenden. Dies kann nur durch eine grundlegende Verkehrswende in der Landeshauptstadt gelingen. Dazu sehen wir jedoch nach Bewertung der vergangenen Stadtratsbeschlüsse keinerlei Anzeichen – und müssen dem Stadtrat daher ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Das Urteil: „Versetzung gefährdet“.
Den Münchner*innen stinkt es gewaltig. Seit 1. Januar 2010 sind die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) verbindlich einzuhalten. Trotzdem werden sie seitdem an 123 des 511 Kilometer langen Hauptverkehrsstraßennetzes in der Landeshauptstadt erheblich überschritten. Doch durch den Druck unseres Bürgerbegehrens „Sauba sog i“ beschloss der Münchner Stadtrat am 25. Januar 2017 eine Verkehrswende: Bis 2025 müssen mindestens 80 Prozent aller Wege in München emissionsfrei zurückgelegt werden. Das kommt einer Halbierung des fossil betriebenen Autoverkehrs gleich. In München verursachen Diesel-Pkw und der sogenannte „Schwere Nutzverkehr“ insgesamt 91 Prozent der Stickstoffdioxid-Belastung.
Gleichzeitig verpflichtete sich der Stadtrat, jährlich einen Monitoringbericht zur Luftreinhaltung vorzulegen. Diesen erwarteten wir eigentlich für die Vollversammlung am 24. Januar 2018. Doch diese Erwartungen wurden enttäuscht. Andreas Schuster, Bündnissprecher und Bereichsleiter Mobilität bei Green City e.V., dazu: „Die Regierungskooperation der SPD und CSU haben das Vertrauen der Bürger*innen aufs tiefste enttäuscht. Groß daherreden kann jeder. Dem keine Taten folgen zu lassen ist symptomatisch für die Vermeidungs- und Verzögerungspolitik im Verkehrssektor.“
Wir haben im vergangenen Jahr genau hingesehen und die wichtigsten Beschlüsse des Stadtrats zu Verkehrsthemen bewertet. Dabei mussten wir feststellen, dass im Gegensatz zur versprochenen Verkehrswende Maßnahmen beschlossen wurden, die sogar den Anteil des motorisierten Verkehrs erhöhen.
Fußverkehr: Abgesehen von der Umwandlung der Sendlinger Straße in eine Fußgängerzone und dem Beschluss, den Arnulfsteg trotz gestiegener Kosten zu bauen, wurde für die Verbesserung des Fußverkehrs zu wenig unternommen. So wurde beispielsweise die Chance vertan, ein flächendeckendes, qualitativ hochwertiges Fußgängerleitsystem zu initialisieren, wie es Städte wie London, New York und Paris in den letzten Jahren mit großem Erfolg einführt haben. Ganz konkret fehlt auch ein Konzept, das Fußverkehrsnetz innerhalb des Mittleren Rings zu vergrößern.
Fahrradverkehr: Neben einigen guten Verbesserungen für den Radverkehr zeigen etwa die Fortschreibung des „Grundsatzbeschluss Radverkehr“ oder auch die neuen Radstreifen in der Herzog-Heinrich-Straße, dass der Weg zur Radlhauptstadt noch sehr weit ist. „Die Stadt hinkt bei der Planung von Radschnellwegen insbesondere im Vergleich mit den Umlandgemeinden mindestens ein Jahr hinterher. Erste Ansätze, wie die Ampelschaltung in der Schellingstraße am Fahrradverkehr auszurichten, sind für den Radverkehr positiv, könnten aber zu Verzögerungen beim ÖV führen. Ein Umsteuern in Richtung einer Verkehrswende ist noch nicht zu erkennen“, sagt Sylvia Hladky, Sprecherin des Bündnisses.
ÖPNV: Wichtige Maßnahmen wie der Bau der Tram-Westtangente oder der Tram durch den Englischen Garten wurden zwar wieder in neuer Verpackung (ÖV-Offensive) präsentiert, der Bau wurde aber immer noch nicht beschlossen. Auch die Festlegung von Busspuren geht nur zögerlich voran. Der Bau neuer U-Bahnen ist langfristig in einigen Fällen sicher richtig, bezogen auf den Beschluss „schnellstmöglich Verbesserungen der Luftqualität in München zu erreichen“ klingt der Plan eher nach Verzögerungstaktik.
Straßenbau: Wie so oft soll das Verkehrschaos durch den Ausbau der Straßen-Infrastruktur verhindert werden. In allen Fällen werden bei den Baumaßnahmen keine Verbesserungen für den ÖPNV und den Fahrradverkehr eingeplant, der Autoverkehr wird demnach weiter zunehmen. Beispiele sind der Ausbau des Föhringer Rings und die Untertunnelung des Mittleren Rings in Höhe des Englischen Gartens. Bei beiden Maßnahmen wurde versäumt, die Situation für den öffentlichen sowie Radverkehr zu verbessern.
Die aktuellen Bemühungen der Stadt München zur Luftreinhaltung können wir zwar gutheißen, wir sehen jedoch keine Ansätze für eine schnellstmögliche Beendigung der Überschreitungen der Grenzwerte wie von den Gerichten gefordert. Es ist durchaus löblich, dass an 20 Messstationen im Stadtgebiet mit Passivsammlern die Luftqualität gemessen werde. Jedoch liegen die Berechnungen der Regierung für Oberbayern vor und machen bereits jetzt klar, dass München ein flächendeckendes Luftschadstoffproblem hat. Dies wird auch durch eine Messreihe der Ludwig-Bölkow-Stiftung gemeinsam mit Green City e.V. aus dem vergangenen Jahr gestützt.
„Seit über einem Jahr bekennt sich die Stadt zur Blauen Plakette. Wohl wissend, dass diese in die Zuständigkeit des Bundes fällt und so die Stadt in keiner Verpflichtung steht. Die Stadt München muss deutlich mehr Duck gegenüber dem Bund aufbauen und ihre Stimme im Städtetag lauter erheben“, erklärt Bündnissprecher Hermann (Beppo) Brem. Grundsätzlich sieht das Bündnis im Masterplan zur Luftreinhaltung, der bis Mitte des Jahres ausgearbeitet werden muss, einen Fortschritt. „Es ist wichtig und richtig, dass dieser Masterplan jetzt erarbeitet wird, um zum einen Fördergelder vom Bund zu bekommen, zum anderen ein – auch gegenüber uns Bürger*innen – verbindliches und verpflichtendes Maßnahmenpaket für saubere Luft in München zu haben. Die Ausarbeitung darf jedoch nicht auf Kosten der jetzt dringend notwendigen Sofortmaßnahmen erfolgen“, sagt Andreas Schuster. Angesichts langer Planungs- und Bauzeiten bei großen Verkehrsinfrastrukturprojekten ist es unabdingbar, parallel dazu möglichst viele kleinere und schnell umsetzbare Maßnahmen auf den Weg zu bringen und gleichzeitig auf den Bau von Parkhäusern in der Innenstadt, siehe Sattlerplatz, zu verzichten.
Konkret werfen wir als Bündnis für saubere Luft in München der Stadt deswegen vor, erneut auf Zeit zu spielen und die seit über acht Jahren bekannte Notwendigkeit zum Handeln weiter zu verzögern. „Alles Scheinmaßnahmen, von denen keiner der in München unter Luftverschmutzung leidenden Bürger*innen aktuell profitieren wird.“
Zusammenfassend stellen wir deshalb der Landeshauptstadt ein schlechtes Zeugnis aus. Zwar sind einige positive Ansätze zu erkennen, jedoch reichen diese bei weitem nicht aus, um die beschlossene Verkehrswende zur Verringerung der Luftschadstoffe schnellstmöglich umzusetzen.
Du willst Dich zukünftig auch für Luftreinhaltung einsetzen und bei Aktionen engagieren? Dann bist Du sehr herzlich am Mittwoch, 14. Februar 2018, zum „Stammtisch Mobilität und Verkehrswende“ des Bündnispartners Green City e.V. eingeladen. ()