Verkehrswende

Faktencheck: Wie ernst nimmt der Stadtrat den Beschluss vom 25.01.2017, eine Verkehrswende zur Reduzierung der Luftschadstoffe in München einzuleiten?

Am 25. Januar 2017 hat der Münchner Stadtrat die Forderung des Bündnisses für saubere Luft in München in einen Grundsatzbeschluss übernommen.

„Der Stadtrat beschließt das Bürgerbegehren „Sauba sog I“ mit der Fragestellung „Sind Sie dafür, dass aus Gründen der Luftreinhaltung mindestens 80 Prozent des Verkehrs auf Münchner Stadtgebiet bis zum Jahr 2025 durch abgasfreie Kraftfahrzeuge, den öffentlichen Personennahverkehr sowie Fuß- und Radverkehr zurückgelegt werden sollen und die Landeshauptstadt München verpflichtet wird, für diese Verkehrswende schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen sowie jährlich über deren Fortschritt zu berichten?“

Originaldokumente unter https://www.rismuenchen.de/RII/RII/ris_vorlagen_dokumente.jsp?risid=4227802

Außerdem hat sich der Stadtrat  „für die Schaffung einer bundesweiten Rechtsgrundlage zur Weiterentwicklung der Umweltzone“ ausgesprochen. „Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen sollen wie bei der Einführung der Umweltzonen für Verhältnismäßigkeit, Abfederung sozialer Hürden und damit Akzeptanz sorgen.“

Wo steht München zu Beginn des Jahres 2018?

Nach einer am 18.07.2017 veröffentlichten und vom Bayerischen Landesamt für Umwelt beauftragten Modellrechnung wird in München an 24 % des 511 km langen Hauptverkehrsstraßennetzes der Grenzwert für den Jahresmittelwert von NO2 überschritten. Bezogen auf das betrachtete Hauptverkehrsstraßennetz mit vorhandener Bebauung (330 km) beträgt der Anteil mit einer Überschreitung des NO2-Grenzwertes 37 %.

Wesentliche Verursacher der Grenzwertüberschreitungen sind die Emissionen des Dieselverkehrs. In der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans München wird dazu u. a. ausgeführt, dass an der Landshuter Allee Diesel-Pkw 41 % und Schwere Nutzfahrzeuge 20 % der NO2-Gesamtbelastung verursachen.
(Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 10628)

Update: Im Februar 2018 überschritten 66 Städte den Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft (µg/m³) im Jahresmittel. München weist dabei die höchste Belastung mit 78 µg/m³ im Jahresmittel auf, gefolgt von Stuttgart mit 73 µg/m³ und Köln mit 62 µg/m³.

Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) am sog. Modalsplit betrug 2014  in München laut Nachhaltigkeitsbericht des Referates für Gesundheit und Umwelt bei  33 %. Neuere Zahlen liegen derzeit nicht vor.

Fazit

Das Ergebnis zeigt einige positive Ansätze, reicht aber bei weitem nicht aus, um die beschlossene Verkehrswende zur Verringerung der Luftschadstoffe schnellstmöglich umzusetzen.

Fußverkehr: Abgesehen von der Umwandlung der Sendlinger Straße in eine Fußgängerzone und dem Beschluss, den Arnulfsteg trotz gestiegener Kosten zu bauen, wurde für die Verbesserung des Fußverkehrs noch nichts unternommen. So wurde beispielsweise die Chance vertan, ein flächendeckendes, qualitativ hochwertiges Fußgängerleitsystem zu initialisieren, wie es Städte wie London, New York und Paris in den letzten Jahren mit großem Erfolg einführt haben. Ganz konkret fehlt auch ein Konzept, den Fußgängerbereich innerhalb des Altstadtrings zu vergrößern.

Straßenbau: Wie so oft, soll das Verkehrschaos durch den Ausbau der Straßen-Infrastruktur verhindert werden. In allen Fällen werden bei den Baumaßnahmen keine Verbesserungen für den ÖPNV und den Fahrradverkehr eingeplant, d. h. der MIV wird weiter zunehmen.

ÖV: In der betrachteten Periode wurden keine wesentlichen Stadtratsbeschlüsse zum Ausbau des ÖPNV gefasst. In der „ÖPNV Offensive“ vom Januar 2018 wurden wichtige Maßnahmen wie der Bau der Tram-Westtangente oder der Tram durch den Englischen Garten zwar wieder in neuer Verpackung präsentiert, aber der Bau wurde immer noch nicht beschlossen. Auch die Festlegung von Busspuren geht nur zögerlich voran. Der Bau neuer U-Bahnen – wie in der ÖV Offensive vorgeschlagen – ist langfristig in einigen Fällen sicher richtig, bezogen auf den Beschluss „schnellstmöglich Verbesserungen der Luftqualität in München zu erreichen“ klingt der Plan eher nach Verzögerungstaktik.

Fahrradverkehr: Neben einigen guten Verbesserungen für den Radverkehr zeigen etwa die Fortschreibung des sog. „Grundsatzbeschluss Radverkehr“ oder auch die neuen Radstreifen in der Herzog-Heinrich-Straße, dass der Weg zur Radlhauptstadt noch sehr weit ist. So liegt die Stadt auch bei der Planung von Radschnellwegen insbesondere im Vergleich mit den Umlandgemeinden mindestens  ein Jahr im Rückstand. Erste Ansätze, wie die Ampelschaltung in der Schellingstraße am Fahrradverkehr auszurichten, sind für den Radverkehr positiv, könnten aber zu Verzögerungen beim ÖV führen. Ein erkennbares Umsteuern in Richtung einer Verkehrswende ist also noch nicht zu erkennen.

Angesichts langer Planungs- und Bauzeiten bei großen Verkehrsinfrastrukturprojekten wäre es wünschenswert, parallel dazu möglichst viele kleinere und schnell umsetzbare Maßnahmen auf den Weg zu bringen und gleichzeitig auf den Bau von Parkhäusern in der Innenstadt, siehe Sattlerplatz, zu verzichten. Andere Großstädte in Europa wie Oslo sind in dieser Hinsicht sehr viel zukunftsgerichteter.